Mehrere Nickerchen pro Tag – das ist für Babys völlig normal. Bei Erwachsenen war dies jedoch lange Zeit verpönt, schließlich verträgt sich Schlafen zwischendurch nicht mit unserer auf Leistung pochenden Gesellschaft. In den letzten Jahren weichen allerdings neue Entwicklungen diese starren Normen ein Stück weit auf. Man liest von Arbeitszeitverkürzung oder Homeoffice. Sabbaticals und persönliche Weiterbildungen boomen. Und so mancher kehrt der Arbeitswelt für eine Weltreise oder einen Pilgerweg den Rücken. Deswegen scheint nun auch das Stündchen des Nickerchens geschlagen zu haben. Aber ist ein Powernap oder Nickerchen nach dem Essen oder dem Sport wirklich gesund? Und worauf sollte man dabei achten? Wir verraten es dir.
„Wir befinden uns im Jahre 2022 n. Chr. Die ganze Welt strebt nach Selbstoptimierung, Leistungs- und Umsatzsteigerung. Die ganze Welt? Nein! Eine von unbeugsamen Iberern bevölkerte Halbinsel hört nicht auf, an alten Traditionen festzuhalten.“ – So könnte die Einleitung lauten, schriebe man eine Geschichte über Rituale und Werte der spanischen Bevölkerung im Asterix-Stil. Denn dort wird ein ganz spezieller Brauch seit vielen Jahren praktiziert: die Siesta. Das Wort stammt von den Römern und geht auf „la Sexta“ zurück, also die sechste Stunde, gemessen vom Sonnenaufgang. Und auf diese eine Mütze – oder sollte man sagen Stunde? – voll Schlaf schworen bereits Don Quijote und Sancho Panza in Cervantes‘ berühmtem Klassiker. Dann, wenn es am heißesten ist, ziehen sich die Spanier auch heute noch gerne zurück, schließen die Geschäfte und Lokale und legen sich nach dem Essen aufs Ohr. Wenngleich man anmerken muss: Auch in Spanien ist der Druck in den letzten Jahrzehnten gestiegen und viele müssen sich mit zwei Jobs über Wasser halten. Die Folge: Manche praktizieren dieses Ritual nur noch selten. Aber wer weiß, vielleicht reißen neue Entwicklungen rund um Entschleunigung, Work-Life-Balance und Mindfullness das Ruder erneut herum. Denn Fakt ist: Ein Nickerchen nach dem Essen oder ein Powernap nach dem Sport sind gesund – und warum das so ist, erklären wir dir im Folgenden.
Werfen wir zunächst einen Blick auf den klassischen Mittagsschlaf. Viele kennen die Situation: Der Vormittag im Büro ist geschafft, das heiß ersehnte Mittagessen wurde vertilgt und dann plötzlich kommt das Leistungstief. Die Lider werden schwer, die Konzentration sinkt und der Gang zur Kaffeemaschine ist nur eine Frage der Zeit. All das hängt nicht unbedingt mit zu wenig Schlaf in der Nacht zuvor zusammen, sondern geht vielmehr auf unseren Biorhythmus zurück. Denn die Leistungskurve zeigt bei den meisten Menschen zwischen 12 und 14 Uhr steil nach unten. Vor allem dann, wenn der Organismus zusätzlich noch Energie für die Verdauung eines deftigen Mittagessens aufbringen muss, können die Kraftreserven knapp werden. Dann ist es Zeit für eine Siesta. Studien zufolge birgt ein Powernap nach dem Essen das Potenzial, die Leistungsfähigkeit um 40 Prozent zu steigern und die Aufmerksamkeit zu verdoppeln. Ebenso hat ein Nickerchen positive Auswirkungen auf das Kurzzeitgedächtnis, es senkt das Herzinfarktrisiko und beugt Erschöpfungszuständen vor. Auch der Heißhunger auf besonders fettige oder süße Speisen, der uns vor allem dann plagt, wenn wir müde sind, verfliegt. Powernaps sind darüber hinaus Gute-Laune-Booster, weil der Serotoninspiegel im Blut ansteigt. Und dieses Nickerchen nach dem Essen muss gar nicht lange sein: zehn bis dreißig Minuten reichen laut Wissenschaftlern bereits aus. In jedem Fall solltest du nicht zu lange schlafen, um nicht in die Tiefschlafphase zu kommen. Denn dann sinkt dein Blutdruck und du fühlst dich beim Aufwachen womöglich ausgelaugter als zuvor. Gehe auch nach dem Aufwachen ein paar Meter auf und ab, um den Kreislauf wieder in Schwung zu bringen.
Powernaps eignen sich auch hervorragend als Regenerationskick nach dem Sport. Hierbei solltest du ebenso die 30-minütige Schlafzeit nicht überschreiten, um von den Vorteilen zu profitieren. So kann ein Nickerchen nach einer sportlichen Aktivität etwa deine kognitive Leistung und Wachsamkeit verbessern, wodurch du vorsichtiger und umsichtiger bist. Außerdem kann sich eine Siesta wie ein Kurzurlaub anfühlen, der Stress und Angst blockiert und stattdessen für gute Laune sorgt. Insbesondere die Muskeln und das Bindegewebe freuen sich über eine kleine Auszeit, denn beim Schlafen ist der Spiegel unserer Wachstumshormone besonders hoch. Die Folge: Beanspruchte Körperpartien können sich optimal regenerieren. Übrigens: Manche Athleten schwören auch auf einen Powernap vor dem Sport, um sich körperlich und mental auf die bevorstehende Anstrengung vorzubereiten. Am besten du probierst aus, zu welchem Typ du gehörst.
Ein Nickerchen nach oder vor dem Sport oder ein Powernap nach dem Essen ist also gesund. Wichtig ist hierfür allerdings die richtige Umgebung. Wer die Arbeitskollegen und den Chef über das Vorhaben informiert und die Möglichkeit hat, die Füße hochzulagern, kann dies natürlich direkt am Schreibtisch tun. Aber Achtung: Unbequeme Posen führen schnell zu Verspannungen und Nackenschmerzen! Besser sind Sofa, Yoga-Matte oder auch die Rückbank deines Autos, die in der Mittagspause zweckentfremdet wird. Schließlich sind auch Hängematten ideale Powernap-Plätze – egal, ob in den Pausen zu Hause im Homeoffice oder in einem Ruheraum in der Firma. Generell richten immer mehr Unternehmen spezielle Rückzugsorte ein, um Mitarbeitern Nickerchen und Ruhephasen zwischendurch ermöglichen zu können. Forscher halten ohnehin den biphasischen Schlaf, also Schlaf in zwei Phasen, für das eigentlich Natürliche. Genau deswegen praktizieren Menschen fernab der Arbeitswelt – wie Babys, Pensionisten, Menschen ohne Job oder auch indigene Kulturen – diese Form nach wie vor oft. Oder aber du nimmst dir Don Quijote zum Vorbild und wiegst dich das nächste Mal nach dem Essen einfach in einen ritterlichen Schlaf!